Im Bann der Masken by Isabel Allende

Im Bann der Masken by Isabel Allende

Autor:Isabel Allende [Allende, Isabel]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Jugendroman
Herausgeber: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
veröffentlicht: 2014-10-01T22:00:00+00:00


NEUNTES KAPITEL

Die Jäger

Ziellos streiften sie durch den Wald. Alex entdeckte einen vollgesogenen Blutegel an seinem linken Bein und pflückte ihn ohne Getue ab. Er hatte schon am Amazonas welche gehabt und keine Angst mehr vor ihnen, auch wenn er sie nach wie vor widerlich fand. Wohin Nadia und er auch blickten, überall wucherte das Grün, alles sah gleich aus. Die einzigen Farbkleckse waren Orchideen und zuweilen ein Vogel mit buntem Gefieder, der vor ihnen aufflatterte. Die Erde glänzte rötlich unter ihren Füßen, weich und getränkt vom Regen und gespickt mit Tücken, so dass sie jeden Schritt wägen mussten. Manchmal verbargen sich sumpfige Löcher unter einer Decke schwimmender Blätter. Sie kämpften sich zwischen den Lianen hindurch, die an einigen Stellen dicht wie ein Vorhang von den Bäumen hingen, und zwängten sich vorbei an wehrhaft bestachelten Büschen. Und doch war der Wald nicht so undurchdringlich, wie sie zunächst geglaubt hatten, es gab Lücken zwischen den Baumkronen, durch die das Licht der Sonne fiel.

Alex hielt sein Taschenmesser in der Hand und wartete auf das erstbeste essbare Tier, das in seine Nähe käme, aber diesen Gefallen tat ihm keins. Zwar huschten bisweilen Ratten zwischen seinen Füßen hindurch, aber die waren zu flink für ihn. So begnügten sich die beiden mit Früchten, die sie nicht kannten und die bitter schmeckten. Borobá aß sie, also schadeten sie wohl nicht, und sie griffen zu. Sie fürchteten, sich zu verlaufen, ja, sie hatten sich schon verlaufen, denn sie wussten weder, wie sie nach Ngoubé zurückfinden noch wie sie die Pygmäen treffen sollten. Ihre einzige Hoffnung war, dass die Pygmäen sie finden würden.

Seit Stunden irrten sie nun schon so verloren und verzagt durchs Dickicht, als Borobá plötzlich zu kreischen begann. Wie so oft hockte der Affe auf Alexanders Kopf, hatte seinen Schwanz um Alexanders Hals geringelt und klammerte sich an seinen Ohren fest, denn von dort oben hatte er eine bessere Aussicht als von Nadias Schulter. Zwar klaubte Alex ihn wieder und wieder herunter, doch ehe er sich’s versah, hatte der Affe seinen Lieblingsplatz zurückerobert. Und diesmal war es ihr Glück, denn von dort oben entdeckte er die Spuren. Obwohl nur wenige Schritte entfernt, waren sie kaum zu erkennen. Es waren Spuren von großen Füßen, die das Unterholz knickten und eine Art Pfad durch das Dickicht bahnten. Alex und Nadia hatten solche Spuren bei ihren Ausflügen mit Michael Mushaha gesehen und erkannten sie sofort.

»Ein Elefant!« Alex spürte, wie seine Lebensgeister zurückkehrten. »Wenn hier ein Elefant unterwegs ist, dann sind auch die Pygmäen nicht weit.«

~

Der Elefant war seit Tagen gehetzt worden. Die Pygmäen verfolgten ihre Beute, bis sie restlos erschöpft war, trieben sie immer weiter in die Enge und schließlich hinein in die Netze. Dann griffen sie an. Diesem Elefanten war am Vorabend eine kurze Atempause vergönnt gewesen, als Beyé-Dokou und die Seinen die Jagd unterbrachen, um die Fremden nach Ngoubé zu führen. Während dieses Abends und der ersten Nachtstunden hatte der Elefant in sein angestammtes Revier zu entkommen versucht, aber er war entkräftet und verwirrt. Die Jäger hatten ihn weit hinein in unbekanntes Gebiet gedrängt, er fand nicht zurück und lief im Kreis.



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